Rede von Martin, Freie Linke Mittelhessen (@martingmr) zum Gedenken des 78. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus, gehalten auf dem Marktplatz Marburg/Lahn am 08. Mai 2023

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Marburgerinnen und Marburger,

Am heutigen Tage, dem 08. Mai 2023, möchte ich mit ihnen gemeinsam dem 78. Jahrestages der Befreiung Europas vom deutschen Faschismus und des Endes des barbarischen 2. Weltkrieges in Europa gedenken, diesen Tag mit Ihnen gemeinsam feierlich begehen und mit der Losung „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg“ alles Menschen mögliche gegen Krieg und Faschismus (in welcher Form auch immer) tun. Verfolgt man unsere „Qualtitäsmedien“ scheint dem geplanten Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskij bzw. der Krönungszeremonie des britiischen Monarchen Charles III. eine höhere Aufmerksamkeit zuzustehen als dem Gedenken der Befreiung vom Krieg und Faschismus am 08. Mai 1945.

Für uns als Menschen, die an Frieden, Demokratie die ihren Namen verdient, Selbstverantwortung sowie einem guten Leben in Eintracht und solidarischen Miteinander interessiert sind, hat dieser Gedenktag aber aus gutem Grunde eine ganz entscheidende Bedeutung. Ich möchte mit dazu mit ihnen gemeinsam auf eine kleine Zeitreise der Erinnerung an ein historisches Ereignis gehen, welches in jüngster Zeit zusehends aus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu verschwinden scheint.

Bei den Verhandlungen im Hauptquartier der alliierten Streitkräfte (SHAEF) in Reims wurde am 7. Mai die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte vereinbart und diese dort vertraglich unterzeichnet. Als Zeitpunkt für die Einstellung aller Kampfhandlungen in Europa wurde der 8. Mai, 23:01 Uhr festgelegt. Generaloberst Alfred Jodl, von Reichspräsidenten Dönitz autorisiert,unterzeichnete die bedingungslose Kapitulation der hitlerfaschistischen Wehrmacht.

„… Deutsche Streitkräfte setzten ihre Kampfhandlungen jedoch gegen sowjetische Truppen fort. Um auch die Kämpfe zwischen sowjetischen und deutschen Truppen verbindlich zu beenden, erfolgte auch am späten Abend des 8. Mai im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst (heute Museum Berlin-Karlshorst) eine Gegenzeichnung der Kapitulationserklärung. Diese zog sich bis kurz nach Mitternacht hin. Da es zu diesem Zeitpunkt auf Grund der Zeitzonen in Moskau bereits zwei Stunden später war, wird in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten (alle außer der Ukraine) der 9. Mai als Tag des Sieges begangen. …“ (Wikipedia)

Von 1939 bis 1945 brachen die deutschen und italienischen Faschisten im Auftrag ihres Kapitals einen grausamer und brutaler Weltkrieg mit insgesamt ca. 60 Mio Toten vom Zaum, verbunden mit brutalen Vernichtungs- und Eroberungsstrategien selbsterklärter „Herren-Menschen“, unter anderem 6 mio Juden über den Holocaust sowie allein 27 mio getöteten Bürgern der damaligen Sowjetunion. Für „Lebensraum im Osten“ war eine Vernichtung von allem und jedem was sich nicht zu willfährigen Arbeitssklaven machen liess generalstabsmäßig eingeplant.
Eine brutale, durchmilitarisierte diktatorische und gleichgeschaltete Herrschaft war und ist untrennbarer Bestandteil dieser Form bürgerlicher Herrschaft.

Der bulgarische Kommunist  Georgi Dimitroff  charakterisierte in einer Rede auf dem  VII. Weltkongress der Komintern (25. Juli bis 20. August 1935) das Wesen faschistischer Herrschaftsvarianten wie folgt:

„… Faschismus an der Macht ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals … Allerdings, so hob er auch hervor “…Keinerlei allgemeine Charakteristik des Faschismus, mag sie an sich noch so richtig sein, enthebt uns der Pflicht, die Eigenart der Entwicklung des Faschismus und der verschiedenen Formen der faschistischen Diktatur in einzelnen Ländern und in verschiedenen Etappen konkret zu studieren und zu berücksichtigen. […] Es wäre ein grober Fehler, irgendein allgemeines Entwicklungsschema des Faschismus für alle Länder und alle Völker aufstellen zu wollen…“

 Damit war gemeint, In dem Moment, in dem der Kapitalismus bedroht sei könne sich eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie zur faschistischen Diktatur transformieren, die auch mit brutalsten Mitteln die Kapitalverwertungsbedingungen aufrechterhalte.

Regelrecht abschätzig sprach Dimitroff von »Denkfaulheit«, wenn das Studium der konkreten gesellschaftspolistischen Lage »durch allgemeine, nichtssagende Formeln« ersetzt werde.

Der faschistische Diktator Benito Mussolini, der den Begriff Faschismus ursprünglich geprägt hatte, bestätigte mit etwas anderen Worten die Definiton von G. Dimitroff:

„Der Faschismus sollte Korporatismus heißen, weil er die perfekte Verschmelzung der Macht von Regierung und Konzernen ist. …“

Nicht unerwähnt sollte man in diesem Zusammenhang lassen, das der von faschistischen Armeen losgetretene Weltbrand und Genozid an ganzen Volksgruppen, an Glaubensgemeinschaften und politischen Parteien auch vom US-Kapital mit logistischer Unterstützung (Motoren-, Treibstofflieferungen) unterstützt wurde, solange es ihnen nützlich und erfolgversprechend erschien. Böse Stimmen könnten glatt vermuten, das die USA deswegen erst im Juni 1944 mit der Landung in der Normandie eine zweite Front eröffnete um erfolgversprechend zu den Siegermächten zu gehören und das sie später die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki am 08. und 09. August 1945 abgeworfen haben, um der Sowjetunion zu zeigen, das man über „diesen großen Knüppel“ (US-Präsident Harry S. Truman) verfügte.
Am 02. September 1945 endete dann auch mit der Kapitulation Japans der Krieg im Pazifik und der 2. Weltkrieg vollends, eine Kapitulation die schon vor den A-Bomben-Abwürfen kurzfristig bevorstand.

Zum Abschluss dieses kleinen historischen Exkurses sei noch daran erinnert, dass mit der Charta der Vereinten Nationen von 1945, Grundsätze einer multipolaren Welt formuliert wurden, deren ersten Beiden lauteten, „… den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, ..“ und „…freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln…“, mit dem Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal 1947 zumindestens die schlimmsten und menschenverachtensten Kriegsverbrecher und Massenmörder verurteilt wurden – und Ziele wie eine unfassende Demokratisierungen und Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien sich sowohl im Grundgesetz als auch in den einen oder anderen Länderverfassungen wiederfanden (übrigens auch in den Parteiprogammen aller großen Parteien in den unmittelbaren Nachkriegsjahren).

Georgij Dimitrov (1882–1949)

Und mit Georgij Dimitroff beamen wir wieder 78 Jahre zurück, in die Gegenwart des 08. Mai 2023:

…Der Faschismus kommt an die Macht als eine Partei des Angriffs auf die revolutionäre Bewegung des Proletariats, auf die Masse des Volkes, die sich in einem Zustand der Unruhe befindet; dennoch inszeniert er seine Machtübernahme als eine ›revolutionäre‹ Bewegung gegen die Bourgeoisie im Namen ›der ganzen Nation‹ und zur ›Rettung‹ der Nation. Man erinnere sich an Mussolinis ›Marsch‹ auf Rom, Pilsudskis ›Marsch‹ auf Warschau, Hitlers nationalsozialistische ›Revolution‹ in Deutschland und so weiter…“

So tarnten die deutschen Faschisten der NSDAP sich mit Symbolen, Fahnen und Liedern der sozialist. Arbeiterbewegung und demagogisches Phrasendreschen gegen die „raffenden Kapitalisten“ – umgedeutet als jüdisch-bolschewistisches Finanzkapital, während sie im Hntergrund vom deutschen sowie vom US-Finanzkapital finanziert wurden.

Und genau wie beim letzten Mal fallen unglaublich viele sich fortschrittlich nennende, ja sogar selbsternannte Linke oder sogar Kommunisten darauf herein. Sie glauben, dass die herrschende Klasse, nachdem sie das Gesundheitssystem ausgeschlachtet und die sozialen Voraussetzungen für die Gesundheit zerstört hat, einfach despotische Befugnisse über unser Leben und unsere Gliedmaßen erhalten musste, um uns vor einem Strohmann-Virus zu retten.

Sie glauben, dass dieselbe herrschende Klasse, die den Planeten verwüstet hat, das Recht erhalten muss, unsere Bewegungsfreiheit und unser Wohlbefinden abzuschaffen, um ihn zu retten. Sie glauben, dass die herrschende Klasse, die uns zu Tode schuften lässt und uns auf Schritt und Tritt beraubt, uns ein universelles Grundeinkommen oder ein digitales Zentralbankgeld aus reiner Herzensgüte schenken wird und nicht als totales Kontrollinstrument über uns.

Manche „Linke“ und Olivgrüne glauben sogar, dass sie die Ukraine bis an die Zähne bewaffnen und renazifizieren, sowie sich mit lupenreinen Faschisten und Nazi-Kollaborateur-Verherrlichern verbünden zu wollen, um uns vor einen angeblichen russischen Bedrohung zu schützen. Das ihre faschistischen Bundesgenossen 2014 brutal 48 Regierungsgegner im Gewerkschaftshaus in Odessa verbrannten und seit 9 Jahren einen Bürgerkrieg in der Ostukraine führten, wird dann wohl billigend in Kauf genommen.

Der 8. Mai ist für uns ein Tag der Erinnerung, der Mahnung, aber auch mit der Befreiung vom Faschismus ein Tag der Freude.

Der russische Soldat u. Dichter Jewgeni Dolmatowski am 2. Mai 1945 in Berlin mit Hitler-Büste

Den Vorschlag der Partei DIE LINKE. den 08. Mai zu einem offiziellen bundesweiten Gedenk- und Feiertag in allen Bundesländern zu erheben, um mit dieser symbolischen Geste das antifaschistische Gedenken zu erneuern und zu bekräftigen, halte ich für eine gute und unterstützenswerte Sache.

Und ja, eine Einheitsfront aller Antifaschisten und Demokraten auch aus verschiedenen Lagern halte ich da für absolut unterlässlich, auch wenn diese sich in anderen Themenfeldern wie der Haltung zu den Corona-Zwangsmaßnahmen während der Plandemie unterschieden haben sollten.

Ein solches Gedenken greift aber ohne eine mahnende Erinnerung an die 27 mio Toten in der damaligen Sowjetunion deutlich zu kurz und übersieht dabei das diese infolge eines barbarischen Vernichtungsfeldzuges oft auch bestialisch mißhandelt und umgebracht wurden.

Ein Verbot des Zeigens von russischen bzw. sowjetischen Fahnen und Symbolen am 08. / 09. Mai am sowjetischen Ehrenmal wohingegen ukrainische Fahnen erlaubt wurden spricht dem allerdings Hohn.

Angestrebte Auftrittsverbote des Friedensforschers und Historikers Daniele Ganser wegen angeblichen antisemitischen Aussagen bzw. der Opernsängerin Anna Netrebko weil sie sich als russische Staatsbürgerin vor ihrem Kulturauftritt nicht von ihrem Staatspräsidenten distanzierte, sprechen dem ebenso Hohn.

Ich schliesse noch einmal mit Georgij Dimitroff:

„… Der Faschismus, das ist nicht eine über den Klassen stehende Macht, auch nicht die Macht des Kleinbürgertums oder des Lumpenproletariats über das Finanzkapital (wie gängige Theorien behaupteten). Der Faschismus – das ist die Macht des Finanzkapitals selbst“
(wohl des gesamten Kapitals, nich nur des Finanzkap. )

In 15 jahren Neoliberalismus und zunehmender Macht der konzerne sehen wir heute eine immer grössere Verschmelzung der Konzernmacht mit dem staat (Korporatismus ) , die Konzerne schreiben sich ihre gesetze selber , übernehmen direkt die Macht. Heutzutage sprechen wir da von BlackRock, BigPharma, milliardenschweren IT-Konzernen und militärisch-industriellen Komplexen mit ihren dystopischen Plänen und Planspielen.

Ohne Frage, wir befinden uns in einer tiefen krise des Weltkapitalismus ,( aufgrund seiner inneren widersprüche und der immer weiter wachsenden Ungleichheit ), vor allem sichtbar seit der Finanzkrise 2008 /09.., diese Ungleichheit ist den Mitteln bürgerlich-parlamentarischerElitendemokratie „ nicht mehr aufrechtzuhalten.  Die Ehe von Elitendemokratie und Kapitalismus geht deshalb dem Ende zu und das system wendet sich wieder autoritären Herrschaftsformen zu

Indizien für solche Tendenzen zur „faschisierung“ oder diktatorisierung des Staatsapparates . sind zunehmende Überwachungsstrukturen bzw. -gesetze , „Hatespeech „Zensur (Faktenfinder) , Mediengleichschaltung , Verquickung von Politik und Justiz um letztere im Sinne herrschender Narrative auf Linie zu bringen Auch das Hartz-schikane –system seit 2004 zeigt schon seit 18 jahren klare diktatorisch reglementierende Züge

Nie wieder Faschismus ! Nie wieder Krieg ! – Wehret den Anfängen!

Es gilt aber auch, um es mit Max Horkheimer zu sagen: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen“