Schlagwort: freie linke

Organisiert jetzt London Frieden und Freiheit für uns?

Gastartikel von Uwe Albert

 

Vermehrt kursieren derzeit in den sozialen Netzwerken Aufrufe zu Großdemonstrationen unter dem Label „Deutschland steht auf“ oder „XXX (für eine Stadt) steht auf“ mit oder ohne „Reformation 2.0“.

Im ursprünglichen Aufruf einer solchen Großdemonstration zum 16.9.2023 in Magdeburg waren als Initiativen die AFD, die Basis und dreisterweise[Anm.] die „Freie Linke“ aufgeführt. Nach Protest Letzterer wurde diese aus dem Aufruf herausgenommen, zumindest auf Telegram-Ebene. Kurz darauf verschwand dann die Basis und wie ich jetzt sah auch die AFD als Initiative aus dem Aufruf. Sucharit Bakhdi ist in dem Video nicht mehr zu sehen. Hat er erkannt, dass er hier instrumentalisiert wird? Ob die Parteien sich selber herausgenommen oder ob die Organisatoren dieser Demo kalte Füße bekommen haben, weiß ich nicht.

Demonstrationen oder Kundgebungen dieser Art mit allgemeinen Aufrufen und mit auffallend teurer Ausstattung (große Bühne, Großleinwand für Beamer etc.) gab es schon mehrfach. Aber wer steckt nun eigentlich dahinter? Anmelder und Organisator ist immer ein gewisser Olaf Lange, zusammen mit einer gewissen Stefanie Tsomakaeva. Lange und Tsomakaeva arbeiten für eine britische Kapitalgesellschaft (Ltd) namens „Stiftung Friedensarbeit Ltd“.[1] Das Unternehmen strebt laut ihrer Webseite die „Evolution der Gesellschaft“ an, was an eine soziale Evolution erinnert, wie sie Markus Krall,der in den Aufrufen als Redner gelistet ist, vorantreiben will, aber dazu später mehr.

Das Unternehmen ist in London angesiedelt, wo zufällig eine gewisse Margareta Griesz-Brisson praktiziert und lebt. Griesz-Brisson wird in den Aufrufen ebenfalls als Rednerin aufgeführt. Sie wurde 1955 in Rumänien geboren, kam 1980 nach Deutschland und studierte in Freiburg, wo sie auch abschließend promovierte. Ihre Facharztausbildung zur Neurologin schloss sie 1998 in New York ab. Von London aus verfolgte sie mit wachsender Besorgnis die Ereignisse in Deutschland und weltweit und wurde im Dezember gleichen Jahres freudig von der Basis als Mitglied begrüßt.[2]

Das Unternehmen betreibt eine Webseite namens „Deutschland steht auf“[3] , die anbietet, Demos und Proteste samt Equipment zu organisieren, Gruppen zu vernetzen und auch Redner zu stellen, natürlich gegen Geld. Die Basis wiederum bewirbt diese Webseite.[4]

Unter dem Label “Deutschland steht auf“ und „REFORMATION 2.0“ wurde bereits für den 29.4.2023 zu einer Demo in Magdeburg aufgerufen. In Hollywood-Manier als „Mega-Demo“ angekündigt und zusammen mit einem penetrant-pathetischen Video verkündete man, es gehe jetzt um alles. Ich war an diesem Tag vor Ort, um mir ein eigenes Bild zu machen. Genauer gesagt 45 Minuten – länger waren die empörungsüberlasteten und ausgeleierten Reden nicht zu ertragen. Pfarrer Martin Michaelis predigte zu Beginn „Der Friede des Herrn sei mit Euch“ und beendete seine Rede mit „Amen“. Es folgten Reden, die aufgebläht von politischer Verbildung und Geschichtsverdrehung, den Verdacht von gesteuerter Opposition weckten. Ein Redner von „Freies Thüringen“ faselte von einem „Regenbogen-Sozialismus in unserem Land“, andere davon, wir hätten hier eine „DDR 2.0“. Margareta Griesz-Brisson schwafelte euphorisch, dass Magdeburg heute die Linken in Form des „Demokratischen Widerstand“ mit den Rechten der AFD zusammengebracht hätte. Das wäre der richtige Schritt. Ins gleiche Horn blies AFD-Politiker Lars Hünich, Mitglied des Landtages Brandenburg. Die Bundesvorsitzenden der Basis, Skadi Helmert und Sven Lingreen, warben um Stimmen für ihre Partei. Wir erinnern uns, es gehe ja jetzt um alles. Rechte und Linke zusammen, die Basis oder eben Gott werden alles für uns richten.

Neben diversen Basis- und AFD-Mitgliedern sind für den 16.9.2023 als DDR-Oppositionelle geführte Redner geordert worden, wie Angelika Barbe, die neben Markus Meckel im Oktober 1989 Gründungsmitglied der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) war. Die SDP war damals noch eine Basisbewegung, der Name wurde in bewusster Abgrenzung gewählt. Noch im gleichen Monat (offiziell dann im September 1990) überführten sie diese über alle Köpfe der Basis hinweg in die West-SPD. Richtiger wäre verkauften, denn beide sicherten sich damit gut bezahlte Pöstchen als Bundestagsabgeordnete. Barbe ist Gastautorin auf der Webseite von Vera Lengsfeld, ebenfalls eine DDR-(Schein)Oppositionelle, die wiederum in Hayek-Netzwerken aktiv ist.[5]

Auch als Redner aufgeführt ist der Ultra-Neoliberalist Markus Krall. Er selbst preist sich als libertär an. Krall war über Jahrzehnte Unternehmensberater für große Finanzinstitute, bis ihn der milliardenschwere August von Finck junior (*1930 in München; †2021 in London, ein deutscher Erbe, Investor, Bankier und Finanzierer der AfD in ihrer Gründungsphase) als CEO an die Spitze seines Goldhandelunternehmens „Degussa Sonne/Mond Goldhandel“ holte. Krall ist ein ausgesprochener Demokratiefeind und geistig eng verbunden mit den marktradikalen Ideologien, wie sie Milton Friedman oder Friedrich August von Hayek verkündeten. Krall ist für die Privatisierung der gesamten Infrastruktur Deutschlands und dafür, Unternehmenssteuern radikal zu senken. Er spricht sich für die Abschaffung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts aus. Wer beispielsweise BAföG, Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld erhalte, solle künftig kein Wahlrecht erhalten.[6] Soziale Evolution bedeutet also bei ihm die Unterdrückung alles Schwachen, gemeint sind die Menschen, die für seinen radikalen Markt nicht verwertbar sind und dementsprechend Förderung des Starken. Mit dem Absolutheitsanspruch des freien Marktes weist auch Kralls Liberalismus erschreckende Parallelen zum Faschismus auf. Bei beiden ist der historische Ursprung ein regelrechter Hass auf die Errungenschaften der Aufklärung von 1789. Die ideologischen Basen sind bei beiden der beschriebene „Sozialdarwinismus“ (Glorifizierung des Starken, Verachtung des Schwachen). Die angestrebte gesellschaftliche Organisationsform ist bei beiden eine extrem hierarchische Elitenoligarchie. Den faschistischen Mythos vom ethnisch reinen Volkskörper ersetzt Krall durch den Mythos freier Markt, dem sich das Individuum vollständig unterzuordnen hat. (Du bist nichts, der Markt ist alles.) Beim Faschismus hat sich das Individuum vollständig der Nation unterzuordnen. (Du bist nichts, dein Volk ist alles.) Um die Vernetzung neoliberaler Bewegungen zu fördern, gründete Krall die Atlas-Initiative[7], die in dem Aufruf auch als Initiator genannt wird.

Ich erinnere mich, wie bei der oben geschilderten „Mega-Demo“ der Moderator Thomas Brauner den geklauten Slogan „Frieden, Freiheit, Souveränität“ von der Bühne brüllte, um die Massen zu euphorisieren, was eher peinlich misslang. Wessen Freiheit hier gemeint ist und welche Absichten hier verfolgt werden, sollte nun klar geworden sein. In einer Klarstellung der Freien Linke hieß es: „Wir sind NICHT Teil dieser Demonstration. Wir lassen uns nicht von höchst fragwürdigen Netzwerken, Anmeldern und/oder Parteien fremdbestimmen und/oder als Feigenblatt für dubiose Zwecke instrumentalisieren. Wir stehen nicht für – wie inzwischen verschiedene Recherchen ergeben haben und wie zu vermuten ist – gelenkte und kontrollierte Demonstrationen, die im Sinne äußerst suspekter Netzwerke und Protagonisten agieren, zur Verfügung.“

[Anm.] Dreisterweise, da einer der Organisatoren schon Ende 2021 versuchte, die Freie Linke für eine ähnlich undurchsichtige Großdemonstration am 8.1.2022 in Magdeburg einzuspannen, was abgelehnt wurde. Der Organisator wusste also, dass die Freie Linke nicht dafür zu gewinnen war. Dieser Versuch wurde zu einer Zeit unternommen, als die unangemeldeten Montagsspaziergänge deutschlandweit und besonders in Magdeburg sprunghaft an Teilnehmern zunahmen sowie an Eigendynamik gewannen, sodass die Polizei an ihre Belastungsgrenzen zu kommen schien. In Magdeburg waren zu der Zeit lt. Polizeiangaben 5000 Menschen auf der Straße und wöchentlich stieg die Anzahl um Tausende. Nach meinen Beobachtungen ein Querschnitt der Gesellschaft, der vermehrt jüngere Menschen einschloss.

[1] http://friedensarbeit.com/#ueber-uns

[2] https://diebasis-partei.de/2020/12/frau-dr-med-margareta-griesz-brisson-ist-jetzt-mitglied-bei-diebasis/

[3] https://deutschland-steht-auf.de/de/ueber-uns/

[4] https://diebasis-bayern.de/2022/05/21/corona-solution/

[5] https://hayek.de/pec-events/hayek-club-magdeburg-der-zustand-der-demokratie/

[6] https://www.youtube.com/watch?v=sVc3gsKiTaA (ab Minute 19)

[7] https://atlas-initiative.de/aktivitaeten/

Magdeburg, 18.8.2023

 

Leserbrief

von Darwin Dante (5. Juni 2023)

 

Liebes Redaktionsteam,

 

Ja, dieser Artikel zeigt, warum die FLZ für mich gar keine Rolle mehr spielt und ich eigentlich über die FLZ auch nichts mehr lesen möchte.
Dies Ansammlung von autoritären Sozialisten, die da mobbend und Intrigen schmiedend zusammen klüngelt, habe ich längst aufgegeben. Ich habe es satt, dass sie Erkenntnisse des 19-ten Jahrhunderts wie eine Standarte vor sich her tragen, die Arbeiterklasse aus ihren Gräbern beschwören und ihr Absterben, was ich mit der 5-Stunden-Woche schon 1991 zeigte, ignorieren. Sie verschließen auch ihre Augen davor, dass die Roboter-Armee, die die letzten Reste der Arbeiterklasse in den Fabriken eliminieren wird, von Bosten Dynamik heute, 2023, schon entwickelt wird. Manchmal drängt sich mir der Eindruck auf, dass sie Fabrikarbeiter nur noch aus Bilderbüchern kennen und dass sie selbst nicht die geringste Ahnung davon haben, wie etwas gefertigt wird, oder wissen, wie sie mit ihren Händen selbst ein Stück Metall bearbeiten können.
In ihren Reihen finden sich nur sehr selten echte Fabrikarbeiter und Handwerker, die mit der heutige industriellen Fertigung vertraut sind.

Nein, ihr Wissen hat nur noch den Wert eines guten Bibliothekars über historische Schriften des 19-ten Jahrhunderts, aber keinen für die Gegenwart, außer den, dass sie für die Anarchisten als gute Quellenachweise für die Richtigkeit anarchistischer Theorien für die Folgen des autoritären Sozialismus für die Gesellschaftsentwicklung genutzt werden können. Seht her, in der Sowjetunion traten die Entwicklungen ein, die wir Anarchisten Anfang des 20-sten Jahrhunderts vorausgesagt haben. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass heute die kommunistische Idee in ihren Kern kaum noch bekannt ist, weil es in ihnen Konzept tatsächlich nur um die Eroberung der Macht ging, die sie überall mit moralisierenden Argumenten des utopistischen Sozialismus (Begriff siehe: Das Kommunistische Manifest, Marx/Engels) voran trieben.

Tuen wir uns einen Gefallen, begreifen wir „Was tun?“ von Lenin als idealistischen Versuch, der unter größten Opfern an Blut und Menschenleben häufig unter Nichtachtung des eigenen Lebens heldenhaft vorangetrieben wurde. Aber durch seine Strategie, „Die Eroberung der Macht“ und der mit ihr einsetzenden Gesellschaftsdynamik von Verrat, Mord und Totschlag, sich selbst zu Fall brachte. Am Ende verkaufte die herrschende politische Klasse des Ostblocks die vom Proletariat mit viel Blut eroberten und verteidigten Produktionsmittel für einen „Appel und ein Ei.“

Liebes ZK der Bolschewisten, Danke, dass ihr die Arbeiterklasse in Europa am Ende so verraten habt. Ihr habt bewiesen, dass ihr unser Vertrauen nicht Wert seid.

Darwin Dante

 

Dieser Leserbrief nimmt Bezug auf den Artikel „Die Freie Linke Zukunft hat keine Orientierung“, erschienen auf RADICALDEMOCRAT.NEWS  https://radicaldemocrat.news/2023/05/31/die-freie-linke-zukunft-hat-keine-orientierung/