Die Gruppe Freie Linke Pädagogik über Pädagogik im Ausnahmezustand

Wir sind Linke unterschiedlicher Strömungen, die sich aufgrund der Zuspitzung der globalen Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen zusammengefunden haben, um gemeinsam für eine demokratische Zukunft in Freiheit und Frieden und den Erhalt von Grund-und Menschenrechten für alle Menschen zu kämpfen.

Die Gruppe Freie Linke Pädagogik versteht sich als Teil der Bewegung, den die Ablehnung der demokratiefeindlichen Maßnahmen, die in Deutschland wie auch weltweit zum vorgeblichen Schutz vor dem Corona-Virus ergriffen wurden, eint und dem der pädagogische Blick darauf von besonderer Wichtigkeit ist. Kinder und Jugendliche sind und werden die Hauptleidtragenden der unter der Folie einer P(l)andemie erlassenen Beschränkungen und Maßnahmen sein. Die durch Lockdowns, Schul- und Kitaschließungen sowie soziale Distanz verursachten Bildungsdefizite, psychischen Störungen und gesundheitlichen Schädigungen sind derzeit nicht abschätzbar und in ihren Langzeitfolgen möglicherweise irreparabel oder nicht mehr therapierbar. Mit jedem Tag Kita- oder Schulschließung klafft die Schere zwischen arm und reich weiter auseinander.

Kinder und Jugendliche sind durch das Coronavirus am wenigsten gefährdet, leiden jedoch am meisten unter den Folgen der sogenannten Hygienemaßnahmen und dem Verlust sozialer Kontakte. Dieses Vorgehen verletzt das Recht von Kindern auf seelische, körperliche und geistige Unversehrtheit. Geschlossene Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, sowie ausgesetzte Präsenzpflicht bzw. Distanzunterricht in Schulen über einen längeren Zeitraum, bleiben nicht ohne Folgen für die Bildungsbiographien und die soziale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. Durch „Lockdowns“, Schließungsverfügungen oder Homeschooling verlieren sie den Bezug zu ihren Peers und wichtigen Bezugspersonen für ihre kindliche Entwicklung. Es ist das Kappen unglaublich vieler elementarer Grundbedürfnisse von Kindern. Darunter leidet z. B. die Entwicklung des Selbstbewusstseins und der Sprache.

Das Framing der „Generation Corona“ schreitet immer weiter voran und die diesbezüglichen Folgen sind heute noch nicht abschätzbar. Prägende Merkmale von Kindheit und Jugend sind Revolte, Widerstand und Ungehorsam. Es gehört dazu Grenzen auszutesten und auch zu überschreiten. Das Corona Narrativ jedoch zwingt Kinder und Jugendliche zu Gehorsam, Diffamierung und Denunziantentum. Positives wird verboten und Negatives eingefordert. Kinder sind im Grundsatz wohlwollend und bemüht, die ihnen auferlegten Regeln zu befolgen und einzuhalten. Bei der Befolgung besagter Coronaregeln vernachlässigen sie jedoch ihre eigenen Bedürfnisse nach z. B. sozialen Kontakten, Nähe, Geborgenheit und Selbstbestimmung. Deren Verlust führt, und das ganz besonders im Kindesalter, zu schwerwiegenden Störungen der kindlichen Entwicklung. Darüber hinaus wird ihnen mittels medialer Berichterstattung und pädagogischer Einflussnahme suggeriert, sie könnten für die Ansteckung oder sogar den Tod z. B. ihrer Großeltern verantwortlich sein, sollten sie sich nicht an die Hygieneauflagen halten (Stichwort Angsttrauma). Hinzu kommt eine häufig belastende Familiensituation aufgrund räumlicher Enge, beruflicher Rahmenbedingungen (Homeoffice) oder einer Überforderung der Eltern, und dies ganz besonders bei sozial benachteiligten Familien.

Der Nutzen von Abstandsregeln, Kohortenbildung, sozialer Distanz und Maskenpflicht in Schulen wird von wissenschaftlicher Seite angezweifelt.[1] Beispielsweise belegt die Vorabveröffentlichung (2020) einer Studie der Universität Witten/Herdecke, dass bei 68 Prozent der Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren durch das Tragen einer MNB (durchschnittliche Tragedauer 270 Minuten) Belastungen wie beispielweise Reizbarkeit (60 %), Kopfschmerzen (53 %), Konzentrationsschwierigkeiten (50 %), geringe Fröhlichkeit (49 %), Unwohlsein (42  %), Lernschwierigkeiten (38 %) oder Schläfrigkeit und Müdigkeit (37 %) beobachtet wurden[2]. Zu Asymptomatik und Infektiosität bei Kindern fehlt es an wissenschaftlicher Evidenz und Forschungsergebnissen. Die Annahme, dass von Kindern im Kita- oder Grundschulalter eine Infektionsgefahr ausgeht blieb bisher unbewiesen.[3] Aus einer Anfrage des Abgeordneten Florian Kluckert (FDP) vom 03. Dezember 2020 ans Berliner Abgeordnetenhaus geht hervor, dass die bis zum 09.12.2020 gemeldeten 217 Infektionsfälle „Kindergarten, Hort“ und die 336 im Infektionsumfeld „Schule“ gemeldeten „in der Regel nicht im Umfeld Schule oder Kindergarten erworben wurden, sondern (mutmaßlich) von diesen Fällen dorthin eingetragen wurden .[4] Im Rahmen der ersten Testreihe der Kitastudie der Charité wurden insgesamt 701 Teilnehmende aus 12 Kindertagestätten getestet. Dabei konnte keine SARS-CoV-2 Infektion nachgewiesen werden. Lediglich eine Erzieherin wies einen schwach positiven Antikörperspiegel auf.[5]

Schon jetzt zeigt sich in der pädagogischen Praxis, dass während der Corona-Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen erhebliche Bildungsdefizite entstanden sind, die es zu beheben gilt. Hierfür sind, neben einer individuellen Förderung, auch Hilfen für die betroffenen Familien sowie eine intensive Begleitung bei Wechsel- oder Hybridunterricht, weiteren Schulschließungen bzw. Unterrichtsausfall, nötig. Ebenso benötigen die pädagogischen Fachkräfte zeitnah Zusatzqualifikationen in den Bereichen Sprach- und Traumapädagogik, Angsttherapie, Integration, Gewaltfreie Kommunikation und Soziales Lernen. Ohne ausreichende begleitende Maßnahmen zur Kompensation im pädagogischen Bereich werden die umgesetzten Corona-Maßnahmen erhebliche, irreparable Schäden bei Kindern und Jugendlichen hinterlassen und enorme Folgekosten produzieren.

„Dass die Zukunft auch von Digitaltechnik mitbestimmt wird, ist ebenso klar wie der Fakt, dass eine gesunde Gehirnreifung Zeit braucht.“[6] Homeschooling, digitales Lernen und Hybrid- oder Distanz-Unterricht sind im Zuge der Corona-Krise in den Fokus kindlicher Bildungsorganisation gerückt. Dabei gerät die Tatsache aus dem Blickfeld, dass für die kindliche Entwicklung von Körper, Seele und Geist die realweltlichen Lern- und Bildungserfahrungen in Raum und Echtzeit unerlässlich und von enormer Bedeutung sind. So engagiert sich z. B. die Stiftung ELIANT bereits seit vielen Jahren für ein Recht auf humane Bildung im digitalen Zeitalter. Sie fordert daher, dass Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher sowie Eltern selbst entscheiden, bis zu welchem Alter Bildungseinrichtungen bildschirmfrei bleiben sollten und wann es pädagogisch und entwicklungsneurologisch sinnvoll sein kann, digitale Bildungsformate in der Schule einzusetzen. „Kreatives Denken und unternehmerisches Handeln lernt man nicht am Bildschirm, sondern im Umgang mit Menschen und durch realweltliche Erfahrungen“.[7]

Wir bewerten die aktuellen Maßnahmen der Ministerien für Bildung und Gesundheit, die zur Eindämmung der P(l)andemie führen sollen und die für alle Bildungseinrichtungen gelten, als einen bewussten Angriff auf die natürliche und selbstbestimmte Entwicklung aller Kinder und Jugendlichen. Diese prägenden Einschnitte betrachten wir als Attacke auf jegliche Form von freiheitlicher, vom Kinde ausgehender Pädagogik, speziell im Fall reformpädagogischer Konzepte wie z. B. Waldorf- oder Montessoripädagogik. Auch beobachten wir eine schwindende Unabhängigkeit bei allen freien Trägern sozialer Bildungseinrichtungen, selbstbestimmt Konzepte entwickeln und umsetzen zu können, da diese durch eine stark wachsende Einflussnahme des Staates mehr und mehr reglementiert werden.

Konkret erleben wir in reformpädagogischen Einrichtungen den Versuch des Staates, diese gezielt zu diskreditieren und zu diffamieren (siehe Freier Funken/Waldorfpädagogik[8]). Durch Drohungen und eine Pädagogik der Angst, der Fremdbestimmung und des Gehorsams, wird von staatlicher Seite versucht auf Einrichtungen Einfluss zu nehmen und autoritäre Hierarchien zu etablieren. „Echte Hingabe an eine Sache ist nur mit größter Freiheit möglich (Maria Montessori). Bildungsstätten werden langfristig in ihrer Unabhängigkeit bedroht und als nicht mehr für die Gesellschaft tragbar diskreditiert. Dadurch verlieren sie an „Zulauf“ und werden schließlich durch Formen staatlicher Doktrin ersetzt. Freies, selbstständiges Denken und Handeln sind in diesem System nicht mehr erwünscht. Wir stellen fest, dass vermehrt versucht wird, die freie Entwicklung von Kindern durch neu eingeführte sogenannte „solidarische“ Werte und Pflichten abzulösen. Dies wird von einer Vielzahl privater Träger und den dort tätigen pädagogischen Fachkräften, unter dem Mantel des angeblichen Schutzes der allgemeinen Gesundheit, in vorauseilendem Gehorsam umgesetzt, weiter vorangetrieben und propagiert.

Wir als Freie Linke zeigen uns solidarisch mit allen pädagogisch tätigen Fachkräften, sozialen Einrichtungen und Trägern, die die unwissenschaftlichen Verordnungen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) boykottieren, die sich nach bestem Wissen und Gewissen umfänglich informieren und die diese bildungspolitischen Maßnahmen hinterfragen und diskutieren. Kritische, mutige Pädagoginnen und Pädagogen setzen in der aktuellen Situation ihre berufliche Laufbahn bewusst zum Schutz von Kindern und Jugendlichen aufs Spiel. Sie gilt es in dieser schwierigen Situation und bei ihren politischen Aktionen zu unterstützen.

Wir als Freie Linke fordern deshalb:

  • Sofortige Öffnung aller sozialen Einrichtungen und deren Rückkehr zu einem selbstbestimmten, unabhängigen und eigenverantwortlichen Handeln
  • Rückkehr zum Normalbetrieb in allen Bildungsbereichen und sozialen Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen, Heimen oder Fördereinrichtungen
  • Stopp aller kindbezogenen Maßnahmen im Rahmen des Corona-Infektionsschutzes
  • Analyse und Aufarbeitung der gesundheitlichen (Spät-)folgen der Corona-Maßnahmen bei Kindern (physisch sowie psychisch) und Gründung eines deutschlandweiten Entschädigungsfonds (speziell für Minderjährige)
  • Einrichtung bzw. Ausbau von Förderprogrammen für, durch die Corona-Maßnahmen besonders benachteiligte Schülerinnen und Schüler (SuS)
  • Hilfestellungen für pädagogische Fachkräfte durch Projekte und Broschüren zur Corona-Krisenbewältigung
  • Bessere Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten speziell für Erzieherinnen und Erzieher Aufwertung der sozialen Berufe

Die gesunde, ganzheitliche Entwicklung von Kindern kann nur aus jedem einzeln Kind selbst heraus entstehen und gedeihen. Jedes Kind kann nur soweit gefördert werden, wie es sein eigenes Bedürfnis erlaubt und es ist unsere Aufgabe als Erwachsene, diese Bedürfnisse und Interessen zu erkennen bzw. zu ermöglichen. Wir haben die Aufgabe, alles im Umfeld des Kindes so zu gestalten, dass sich jedes einzelne Kind eingeladen und aufgehoben fühlt, um die Welt und deren Geheimnisse entdecken zu wollen.[9] Alle Dinge, die Kindern „von oben“ auferlegt und befohlen werden, können keine Wurzeln schlagen und gehören niemals zum „Ich“ eines Kindes. „Ich bin ein Schmetterling, trunken vor Leben. Ich weiß nicht, wohin ich fliege, aber ich werde dem Leben nicht erlauben, meine farbenprächtigen Flügel zu stutzen.“  (Dr. Janusz Korczak)

Die Freie Linke hält am klassischen linken Ideal fest

Die demokratische Widerstandsbewegung gegen die Corona-Maßnahmen ist in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands eine der größten Bewegungen „von unten“. Sie geht mit den traditionellen Werten und Zielen von emanzipatorischen und linken Bewegungen vor 2020, wie Basisdemokratie und Selbstbestimmung, völlig konform. Kapitalistische Strukturen, unverhältnismäßig autoritäres Regierungshandeln und linke Parteien, Organisationen und Gruppierungen, die sich ausschließlich auf Identitäts-und Symbolpolitik beschränken, können keine adäquaten Antworten auf die, in der Corona-P(l)andemie sichtbar gewordenen globalen Missstände in Zeiten eines massiven Umbruchs liefern und spielen damit dem ausbeuterischen System in die Hände. Wir lehnen es ausdrücklich ab, dass linke Ideen in einen sogenannten Stakeholder-Kapitalismus eingehegt werden und damit zur Erfüllung kapitalistischer Zwecke, nicht humaner Ideale, entwertet und verfremdet werden.

Desweiteren lehnen wir die Verzerrung und Umdeutung von Begriffen und Definitionen vollständig ab, die jegliche Kritik am herrschenden System, Regierungen, Konzernen und Machteliten als wahlweise „genuin antisemitisch“ (vgl. Aussagen von Anetta Kahane[10]) oder strukturell antisemitisch, rechtsoffen und verschwörungs-schwurblerisch diffamieren. Damit werden Begriffe wie Antisemitismus oder Rechts jeglicher Bedeutung beraubt, was das Verständnis des gesellschaftlichen Problems des tatsächlichen Antisemitismus verzerrt, verharmlost und damit dem Kampf gegen rechte und antisemitische Strukturen und Denkmuster mehr schadet als nutzt.

Die Freie Linke will eine breite, vereinte und strömungsübergreifende Bewegung ins Leben rufen, sich dezentral und von unten organisieren, um eine mit echter Solidarität erfüllte Erneuerung der emanzipatorischen Bewegung zum Keimen zu bringen. Die massiven Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft können nur auf humane Weise und nur gemeinsam mit allen Menschen gemeistert werden. Deshalb brauchen wir eine Freie Linke, gewappnet mit traditionellem Leitbild und zukünftigen Visionen, um diese Ziele zu erreichen.

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Es lebe die Freiheit und das Menschenrecht!

Die Freie Linke

 

Freie Linke_Pädagogik und Corona_16.03.21


[1]https://www.aerzteblatt.de/archiv/217182/COVID-19-in-Schulen-Keine-Pandemie-Treiber

[2]https://2020news.de/wp-content/uploads/2020/12/Corona_children_studies_Co-Ki_First_results_of_a_G.pdf

[3]https://start.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/startseite/Dokumente/Coronavirus/Schul-SARS-CoV-2-Studie-Analyse_Abstract_PA.pdf

[4]https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-25796.pdf

[5]https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-25796.pdf

[6]https://eliant.eu/home/?language=pt/home-pt/ (Eliant Homepage, 2. Absatz „Humane Bildung im digitalen Zeitalter“)

[7]https://eliant.eu/home/?language=pt/home-pt/ (Eliant Homepage, 2. Absatz „Humane Bildung im digitalen Zeitalter“)

[8] https://freie-linke.de/freier-funke/2021/02/offener-brief-gegen-corona-verschwoerungsmythen-an-waldorfschulen#more-653

[9] vgl. Elschenbroich, Donata (2002: Weltwissen der Siebenjährigen, München

[10] https://www.vorwaerts.de/artikel/anti-corona-proteste-antisemitismus-zentrale-rolle-spielt